November 2017
Wir schippern mit der Fähre vom Peloponnes nach Kreta:
Da hatte es doch etwas Gutes, in Githio länger auf unser Paket mit dem Fahrrad-Akku aus Deutschland zu warten: Wider Erwarten erfahren wir hier, dass eine neue Fährverbindung nach Kreta wieder aufgenommen wird. Zielort: Kissamos. Kurzentschlossen wird gebucht!
Ursprünglich wollten wir ja die Peleponnes weiter erkunden und in Piräus bei Athen übersetzen. Aber kleinere, überschaubare Häfen passen doch besser zu uns.
Man klärt uns über eine Maulkorbpflicht für Hunde auf der Fähre auf. So richtig typisch deutsch, pflichtbewusst und korrekt machen wir uns also auf die Suche in der Stadt
und investieren 25 Euro in ein schickes Plastikmodell, welches halbwegs von Gizmo toleriert wird.
Der ist natürlich vollauf begeistert 😉 und erinnert uns sofort an den „netten“ Filmstar, welcher Ohren isst:
Für unseren gefährlichen Kampf-Knirps ist in dieser Größe beim besten Willen kein Maulschutz aufzutreiben in der Stadt.
Kreativität ist angesagt. Wir diskutieren mit unseren Mitreisenden Bärbel und Hans: Ein Socken? Schnürsenkel? Wäscheklammer?
Eine Klopapier-Rolle mit Schnüren der erste Versuch. Das Foto ist durch die immense Abwehrreaktion leider unscharf….
Der zweite Versuch: Verpackungsmaterial, eine Schaumstoffrolle. Diese hält es zumindest vier Sekunden auf der Nase aus.
Unser dritter Versuch:
Aus Strandgut, einem Ring und eingeweichtem Seegras entsteht unser Modell Deluxe. Dieses testen wir nur vorsichtig damit es unbeschadet zum Einsatz kommen kann:
„Bähhh…
Test-Spaziergang und Eingewöhnung am Tag vor der Überfahrt: Menschen machen um uns einen großen Bogen und ich mache mir beinahe in die Hosen..…..
Da ist sie also unsere Fähre: Es handelt sich wohl um ein Modell mit den so oft erwähnten hundert Pinselanstrichen übereinander – Baujahr 1977 aber gerade generalüberholt …
Das Lüftungssystem haben sie dabei wohl vergessen. In den Innenräumen riecht es, als ob hier gerade zehn Trecker arbeiten würden.
Auf dem Deck angekommen erledigt sich unser „Maulkorb-Stress“: Kein Mensch interessiert sich für so ein entstellendes Teil auf der Nase unserer Vierbeiner.
Nur im Innenbereich, da sind Hunde verboten. Wir gucken uns an: „Sieben Stunden da draußen im Wind auf Plastikhockern?“
Zwischen Feuerlöscher und passend roten Sesseln verstecken wir unsere Hunde schließlich an einem Seiteneingang mit der Bitte um absolute Unscheinbarkeit. Kein Mucks haben sie gemacht als ob sie wüssten, worum es geht! Vielleicht waren die beiden aber auch narkotisiert von den Dieselgasen….
Nur über die Straße fahren wir auf einen Platz zum Schlafen. Morgens sieht das dann so aus:
Das hätten wir in den großen Hafen-Metropolen nicht gehabt!
So langsam haben wir die Zerstörung unserer Dinge wieder im Griff:
In Kissamos lassen wir unser Klapprad, das Gizmobil reparieren, der Austausch-Akku für Achims E-Bike ist im Stau Fach und eine neue Drohne bestellt.
Wir tuckern nur kurz nach Falasarna, „gegenüber“ an der Westküste und sind begeistert:
Achim endlich wieder mobiler mit seinem Strom unterm Po:
Eine Filmcrew dreht ein Musik-Video. Ich sitze in den „Überresten“, einem Symbol für die Elemente und Himmelsrichtungen:
Über das Wetter braucht man sich keine Sorgen zu machen. So schnell, wie ein Regengebiet unser Wombat putzt, so schnell ist es auch wieder verflogen. Für mich persönlich die besten Temperaturen wenn die Sonne wärmt statt zu brennen. Bei 20 bis 22 Grad Celsius im Schatten lässt es sich gut aushalten.
Ich entdecke ein Hinweisschild für eine Wanderung zum wohl schönsten Strand Kretas an der Süd-West Spitze: Tigani Balos. Balos heißt so viel wie Bratpfanne. Dieser Name wohl aufgrund der seichten Lagune. Außerdem ist sie eine der ältesten Piratenschlupfwinkel des Mittelmeers.
Das Schild scheint vielversprechend. Es steht geschrieben: “Balos, acht Kilometer“, die Strecke Blondinen gerecht blau markiert. Komisch, aber in keinem unserer Kreta-Wanderführer erwähnt…….
Achim wählt mit dem Wombat die Straßen-Variante auf der Ostseite und wir wollen uns dort treffen.
Hochmotiviert wandere ich los mit den Hunden zwischen Bergmassiv und türkis-blauem Meer:
Das Vorhaben erweist sich einmal wieder als Abenteuer. Die Tour wird zu einem Motivationstraining für den Ridgeback: „Angstüberwindung und Förderung des Selbstbewusstseins“.
Ein verbreiteter Irrtum, bei einem Rhodesian Ridgeback handele es sich um einen mutigen Hund! Das bezieht sich wohl nur auf die Löwenjagd im Rudel mit Wüstensand unter den Pfoten.
Mit größter Anstrengung und massivem psychologischem Feingefühl meinerseits versuche ich, den „Wüsten-Köter“ über Felsvorsprünge und an Steilhängen entlang Richtung Bratpfanne zu bringen. Nicht im Geringsten dramatische oder gar lebensgefährliche Passagen….
Kletter-Pepe beäugt das ganze Drama und fragt sich wohl ständig: „Was für ein Problem hat der denn?“
Das Ziel kommt näher, ich bin schweißgebadet von der Überzeugungsarbeit, der Wanderpfad wird immer abenteuerlicher und meine Argumente gehen schließlich aus. Mit einem vernichtenden Blick, ich solle gefälligst auf seine emotionale Verfassung und neurotische Neigung Rücksicht nehmen, bockt Gizmo vor einer „unzumutbaren“ Felspassage. Ich kapituliere. Auch wenn hinter dieser letzten Passage der Achim den Sand durch seine Finger rieseln lässt und auf uns wartet.
Die trotteligen Hundehalter verabreden sich telefonisch und der Wombat tuckert wieder zum Ausgangspunkt Falasarna. Ich schlappe mit den Vierbeinern in Windeseile den ganzen Weg zurück bevor es dunkel wird…
Und sieh‘ einer an: Auch ohne Psychologie möglich, es geht ja schließlich zurück!
Achim hat sich zumindest die Piraten-Attraktion angesehen und festgehalten:
In Kissamos holen wir überglücklich unser Paket von der Post ab: Die neue Drohne. Es ist vorgezogenes Weihnachten für Achim.
Durch eine herrliche, bergige Landschaft tuckern wir nach Elafonisi. Zur Abwechslung ziehen an uns Laubbäume vorbei und ihr buntes Kleid. Wir werden erinnert: Es ist ja Spätherbst!
Überall ist man emsig am Oliven ernten. Auf dem Weg finden wir eine Olivenöl-“Fabrik“ und zum ersten mal sehe ich live, wie extra vergine hergestellt wird, ganz frisch direkt aus der Mühle koste ich: Ein Gedicht! Mit einem 17-Liter-Kanister bestückt rollen wir weiter.
Ein “Ein-Loch-Tunnel” tut sich vor uns auf. Ein Schild mit der Höhenbegrenzung von 3,50 Meter davor. Achim schätzt mit seinem „hervorragenden“ Augenmaß ein, dass wir da durchpassen, setzt mich aus zum Kontrollieren und knattert mit unseren 3,65 Metern Höhe durch das Loch im Berg. Wir sind nun Vorreiter für Einige mit ähnlicher Höhe, die uns noch fragen: Ja, Ihr passt da locker durch!
Wie Walter Scheel schon sagte: Nichts geschieht ohne Risiko, aber ohne Risiko geschieht auch nichts.
Unbeschadet knattern wir weiter und kommen an in:
Elafonisi
Elafonisi wird uns mehrfach empfohlen. Und das berechtigt! Im Sommer zur Hochsaison muss es hier zugehen wie in Rimini. Dieser Küstenabschnitt ist wirklich ein Traum und zu dieser Jahreszeit paradiesisch leer. Türkisblaues Wasser, eine Lagune, Sanddünen und eine tolle Botanik. Die Muscheln und Korallen sind von den Kräften der Wellen zermahlen und schimmern rosa in Strandnähe.
Mal wieder stehen wir direkt am Meer, man kann endlos laufen gehen mit den Hunden, nette Nachbarn haben wir einige und so zieht es uns erst einmal nicht weiter.
Und so stehen wir zwischen Zypressen, Erika und Thymian, ein Landschaftsgärtner hätte das nicht besser anlegen können!
Ein bekannter Wanderweg namens E4 führt die Küste entlang. Natur pur, Sanddünen, endemische Zypressenarten…
… aber auch gesegnet mit Herden von wilden Kreta-Ziegen. Zum Leid der Hundeseele und -pfote.
Keine Chance gegen die Kletterkünste der Paarhufer.
Nahe Athen fordert ein Tiefdruckgebiet mit sinnflutartigen Regenfällen mehrere Tote. Wir werden nur gestreift von dem Unheil. Zeitverzögert erreicht uns ein Wetter, wie ich es liebe: Stundenlang könnte man da stehen am Meer mit windzerzauster Starfrisur und die See beobachten….
Natürlich nach dem Durchzug einer solchen grauen Wolken-Walze:
Mit der Flut kommt die Post:
Ein Tag in Elafonisi am Strand kann so aussehen:
Peter kommt in der Frühe mit seinen Wanderstöcken vorbei. Er führt ein Institut für bewusstes Leben und Lieben in Deutschland und arbeitet hier emsig an diversen Projekten und Seminaren. Auf den Klippen, in seinem zur Meerseite hin geöffneten Wohnmobil sitzt er am Laptop. Besser kann ein Arbeitsumfeld nicht aussehen!
Die Hunde sind derweilen unterwegs und sagen allen nachbarschaftlich Guten Morgen.
Pepe kommt mit einem Ziegenhuf zurück und kämpft mit Fell zwischen den Zähnen. Gizmo steht auf den Hinterläufen an einer Zeder. In der Baumkrone sitzt sein Lieblingstier.
Morgendusche im Meer, Frühstück im Sand.
Später bringen uns Bärbel und Hans Kesselgulasch vorbei. Die beiden reisen mit eingefrorenen Restbeständen aus ihrer aufgelösten Kneipe durch die Welt. 600 Liter Tiefkühlkapazität mit fernem Generatorgetöse sorgt bei uns für grinsendes Kopfschütteln aber das Gulasch schmeckt vorzüglich!
Olivier aus Belgien wohnt in der neusten Luxus-Variante unseres Wombats. Wir bestaunen den Innenbereich mit allen Extras, super modern, gigantisch. Aber zurück in unserem urgemütlichen Wombat sind wir uns einig: Hier passen wir besser rein!
So kommen und gehen einige Gleichgesinnte mit den unterschiedlichsten Variationen an Reisebehausungen auf Rädern. In der Lebensanschauung immer ähnlich und momentan sind wir gleich glücklich und reich: Barfuß ohne weihnachtlichen Kommerz.
Und so kommt es zu tollen Begegnungen und Gesprächen.
Eingefrorener Blick wegen der Belichtungszeit aber in Wirklichkeit lachen wir viel. Peters Messgerät für die ernüchternde Ermittlung unserer antioxidativen Kapazität lässt uns zu Rotwein oder Berg-Tee greifen, Zigaretten werden im Sand verbuddelt und Hartgesottene kauen Sellerie….
… Apropos Weihnachten:
Ein passendes Geschenk für sich selbst und alle seine Beziehungen: HerzSprechen aus Peters Sortiment. Konfliktlösung im Spiel.
Richtig klasse durchdacht.
Uns fehlt bisher noch ein Konflikt-Thema für eine spielerische Umsetzung und Lösung. Das scheint ein gutes Zeichen zu sein!