Thessalien, Makedonien und Thrakien – Richtung Osten

  1. Mai bis 04. Juni 2018

Evia verlassen wir mit der Fähre nach Glifia am 16. Mai und fahren gleich weiter Richtung Norden durch Thessalien. Lange überlegt haben wir, ob wir nun den Pilion bereisen oder nicht. Besonders die Griechen erzählen von dieser Halbinsel mit leuchtenden Augen. Grüne Natur, historische Dörfer und wilde Berglandschaft mit tollen Fernblicken, gereizt hätte uns das doch schon. Aber nach Kreta und Evia haben wir erst einmal keine Lust auf Berge und Serpentinen. Mit unserer gemütlichen Tendenz, alles auszukosten, hätten wir für den Pilion sicher auch Wochen gebraucht. Schließlich wollen wir dann doch irgendwann Europa verlassen. Und außerdem wartet auf uns die Gegend um den Olymp. Das reicht an Berg!
Also vorbei an Volos und für den Nachtplatz finden wir den Karla See:
„Was eine herrliche Idylle“, spricht der Mann und kommt auf der Wiese zum Stehen:

Achims Idylle entpuppt sich als lebensfeindliches Areal: Der Spaziergang über die grüne Wiese wird zum Hangeln durch messerscharfe Disteln, mir fällt spontan das Lied ein „Ich steh‘ bis zu den Waden in einem Kuhfladen…“, die Hunde parfümieren sich wälzend ein und nach dem Sonnenuntergang eine Überraschung wie im Klassiker „Die Vögel“. Allerdings statt Vögeln kleine grüne Fliegen. Wie ein startender Jumbo Jet wird das Getöse immer stärker. Bevor uns die riesigen, grünen Wolken umgeben, Nix wie rein ins Wombat!

Ungeachtet dessen: Eine Wonne für jeden Ornithologen dieser Platz.  Als Nicht-Spezialisten erkennen wir Störche, Pelikane, Reiher, Flamingos und Enten.

Überall brüten Störche auf den Strommasten:

Bei Agiokambos finden wir einen kleinen Strand inklusive Froschkonzert und treffen Gleichgesinnte. Mit weniger Zeit zur Verfügung reisen sie auf unserer geplanten Route durch die Türkei Richtung Georgien und machen sich früher als wir auf den Weg. Ob wir sie einholen wage ich zu bezweifeln.

Olymp:

Es mag sein, dass folgender Bericht über unseren Aufenthalt um und auf dem Olymp zu ausführlich ist aber die Sätze sprudeln. Es war nun einmal, passend zum Olymp, göttlich und typisch für uns:

Da sitzen wir: In einem Cafe in Litochora. Die kleine Stadt gefällt uns, hat ein besonderes Flair. Weil oder obwohl es hier auch touristisch zugeht. Kleine Läden preisen Wanderschuhe  und Energiedrinks an. Man sieht Menschen mit Rucksäcken und Kartenmaterial. Schließlich ist Litochora Ausgangspunkt für die Besteigung des Götterbergs – das Tor zum Olymp.

Abends herrscht eine wunderbare Stimmung:

Unser Blick geht Richtung Gipfel. Wolkenverhangen! Dies scheint fast Tagesordnung zu sein.

Die Vorfreude auf das da oben wird an unserem Tisch nicht gemeinschaftlich geteilt:

„Wer erklärt sich denn bereit, mit mir da hoch zu kraxeln?“

Durch die Enipeas Schlucht kann man von hier unten schon loslegen. Die ersten 800 Höhenmeter führen auf einem Wanderweg zunächst nach Prionia. Hier ist auch Ende der Fahrstraße und auf dem Parkplatz stellen die Wanderwütigen ihr Auto ab und tümmeln sich zu Fuß auf den Gipfeln herum.

Sonnig und nicht zu heiß ist es, das Wetter stabil, so sagt man. Ich schnüre die Schuhe und kann die Hunde doch tatsächlich für die erste Etappe überreden während Achim die Höhenmeter unter Dieselverbrauch bewältigt. Wir wollen uns in Prionia treffen.
Es ist doch tatsächlich der mir wohl bekannte Europäische Wanderweg E4 auf dem wir nach oben wandeln! Im Vergleich zur Version aus Kreta allerdings ein Deluxe-Abschnitt.  Wer den langen Weg von unten nach oben mit Holzbalken und Metallverstrebungen befestigt hat weiß, was er getan hat.

Trotzdem anspruchsvoller als ich dachte, hier hoch zu laufen. Der erste Teil der Strecke führt nicht direkt am Flusslauf entlang sondern oben am Hang entlang, rauf und runter, rauf und wieder runter immer mit dem Blick nach unten zum rauschenden Wasser.

Erst weiter oben begleitet uns der Enipeas und der Weg führt neben oder mehrfach über den Fluss.

The holy cave:

Tatsächlich gibt es (bekloppte) Marathonläufer, welche das Ganze rennender Weise absolvieren. Mir kommen gleich zwei davon entgegen mit Oberschenkeln zum Reinbeißen. Im Juni so sagte man uns, findet hier ein bekannter Marathonlauf statt (oder ist es sogar ein Triathlon?).

Ich jedenfalls wandere und komme schließlich keuchend und lechzend nach Pasta am Kloster Agios Dionisios vorbei, halte mich aber nicht lange auf, gucke nicht richtig und schleppe mich weiter. Denn bis nach Prionia, zu Achim und den Spaghetti ist noch über eine Stunde zu laufen. Heilfroh oben angekommen: Eine Menge Wandersleute und parkende Autos aber kein Wombat, kein Ehemann, kein Telefonnetz! Ich muss wohl einen erschöpften Eindruck hinterlassen als ich da so fluchend und fragend herum stehe. „Ein großes weißes Auto, explore irgendwas? Das steht am Kloster…“ spricht man.

Am Kloster? Was macht er denn da? Abgemacht war etwas anderes. Eine Einladung zum Bier schlage ich aus, nicht dass mein Ehemann auf die Idee kommt, sich dort wieder weg zu bewegen.
Also den Weg wieder hinunter und das lieber schnell.

Nach der ersten Brücke entlädt sich der Zorn der Götter in Form von Sturzbächen aus dem Himmel und zu allem Überfluss fängt es noch an zu donnern. Regenjacke? Fehlanzeige. Ich wetze wie die bekloppten Marathonläufer los. „Ich bring‘ ihn um“ wird zum murmelnden Mantra.
Angesichts der Lage fehlt mir der Humor für meine neurotischen Hunde:
Ein sinnloses Unterfangen bei den Wassermassen unter Baumkronen Schutz finden zu können aber Ridgeback und Pinscher sind sich einig: Eeeeeentsetzlich! Wie aufgescheuchte Hühner von Baum zu Baum, enger Körperkontakt an meinem Hosenbein, dauerhaftes Kurzhaar-Schütteln und schließlich die Erkenntnis, dass alles nichts bringt. Die Welt geht unter!
Eine kleine Gruppe Frauen mit Regenschirmen kauert um die nächste Ecke. Gizmo hat nichts anderes zu tun als sich zwischen die Beine zu schlängeln um sein nasses Fell an dem Hosenstoff abzuwischen. Da nimmt man gleich alle Beinpaare. Irgendwo muss doch noch ein Stückchen Stoff trocken sein!

Nach Besänftigungsmaßnahmen der Frauentruppe renne ich weiter Richtung Kloster um nach geraumer Zeit zu erkennen, dass Pepe fehlt. Schreie verhallen ohne Ergebnis. Ich schlittere mit Gizmo an der Seite wieder zurück den Berg hinauf, gefühlte zwanzig Minuten. Wo ist der Kerl? Sturzbäche vom Himmel und Babypuder läuft mir in die Augen. (Seit Neustem beachte ich einen wirklich guten Tipp nicht nur für Globetrotter-Damen: Babypuder in die Haare für Stand und Frische). Mit brennenden Augen und verschwommener Sicht erkenne ich Pepe dann irgendwann hinter einer Baumwurzel, wild im nassen Laub wühlend um sich eigenhändig um eine Schutzhütte zu kümmern. Überredungskünste für ein Weiterlaufen erfolglos! Stattdessen scheint Gizmo von der Idee begeistert. Professionelle Wanderer mit ordentlicher Regenbekleidung bleiben mittlerweile stehen und die wühlenden Chaoten im Laub-Nest werden zur Comic-Show, mehrfach abgelichtet. Jetzt muss auch ich lachen während mir das Wasser vom Nacken zum Po läuft. Vielleicht finden wir uns irgendwo auf Youtube wieder…

Wir erreichen letztendlich das Wombat. Friedlich vor dem Kloster parkend. Die Hunde schicksalsergeben an der Leine würden keine Ausstellung mehr gewinnen. Das Wasser läuft mir aus den Hosenbeinen. Aber die Augen brennen nicht mehr, das Puder scheint endgültig rausgewaschen aus der einstigen Haarpracht. Achim öffnet die Tür und begrüßt uns freudestrahlend: „Ja da seid Ihr ja Ihr lieben Wandersleute!“
Ich sage erst mal gar nichts……………..

Achim nutzt unsere Abwesenheit zum Fotografieren der trockenen Klosteranlage:

Ein Pausentag mit Regen auf dem Parkplatz vor dem Kloster. Bald haben wir uns auch wieder lieb und spazieren am Flusslauf:

Gemeinsam fahren wir im Wombat wieder hoch zum Parkplatz in Prionia. Die nächste Etappe zur Schutzhütte auf 2060 Metern kann man tatsächlich mit Esel bewältigen! Achim sucht sich „Rivers“ aus. Ein Handschlag mit dem Esel Halter und abgemacht. Morgen gehen alle gemeinsam da hoch.

Als Fußgänger soll ich vorne weg laufen und mache mich früh morgens mit den Hunden auf den Weg. Bei strahlendem Sonnenschein und mit prächtiger Laune. Das Gebimmel der Eselsglocken kommt irgendwann näher und es bietet sich mir ein Bild für die Götter (des Olymp):

Die lustige Interpretation:

Heilfroh bin ich, dass meine Beine funktionieren!

So schnell kann es hier gehen: Auf Grund der letzten feuchten Tage trocknet die Sonne die Feuchte des Waldes – Nebel steigt auf.

So hocken wir nach Stunden Aufstieg traurig vor der Schutzhütte in einer grauen Suppe ohne jegliche Sicht. Geplant war eine Übernachtung hier oben aber auch das soll scheitern: Hunde sind verboten im Haus.
Weiter zum Gipfel macht keinen Sinn, es bleibt nur eins: Abstieg zurück.
1000 Höhenmeter zu laufen, selbst abwärts, das ist dann doch zu viel des Guten für Achims Beine. Große Überzeugungskraft und Motivation muss ich leisten, Lebensfreude verbreiten, dass wir da wieder herunter kommen. Ich gebe mir alle Mühe und erzähle Witze aber auch die Hunde fangen irgendwann an zu schielen.
Fast unten verzieht sich doch tatsächlich der Nebel und die Sonne kommt raus. Unverschämtheit! Ganz spontan entsteht der Entschluss: Wieder nuff ohne Männer zur Hütte mit der Zahnbürste im Gepäck.

Und das lohnt sich! Letzte Nebelfetzen, die Abendsonne dabei, oben auf der Hütte eine tolle Stimmung und eine traumhafte Fernsicht bis zum Meer.

Mein erster Aufenthalt in einer Schutzhütte in den Bergen, sowas muss man mal erlebt haben:
Man betritt die Hütte und es schlägt einem eine einzigartige Geruchsmischung entgegen: Da hängen Socken zum Trocknen vor dem Kamin, die durchgeschwitzte Funktionskleidung hängt über den Stuhllehnen und aus der Küche strömt mit Essensgeruch geschwängerte Luft von Natriumglutamat-Gewürzmischung für Bolognese und Gulasch. Die Hütte ist fast voll belegt, meist untergebracht ist der müde Wanderer in Mehrbettzimmern. Sprich unter zwanzig anderen Schnarchern.
Ich lerne Martina kennen und wir beide dürfen in einem Dreibettzimmer nächtigen, das irgendwie übrig geblieben ist. Ich sehe nach meinem Doppelaufstieg wohl so aus, als ob ich eine ruhige Nacht nötig hätte!

Martina misst die Temperatur im Zimmer: 8 Grad Celsius in der Nacht!  Drei Wolldecken über mir muss dann doch die verschwitzte Wanderjacke zum Nächtigen dran glauben. Am Morgen habe ich überall Druckstellen von den Knöpfen und Reißverschlüssen und die Nase ist kalt gefroren.

Man wird von alleine wach gegen 5 Uhr morgens. Das lohnt sich aber auch! Ich stehe mit meinem dampfenden Kaffee draußen vor der Hütte, den Blick über das Geländer in die Ferne Richtung Meer. Da geht gerade die Sonne auf.

Der Blick zur Seite: Die Härtesten der Truppe nächtigen mit Schlafsack und mit Aluminiumfolien- Umwickelung auf den Holzbänken hier oben.

Es herrscht schon reges Treiben denn alle sind schon wach und wollen den Gipfel bei Sonnenschein sehen. Man muss die klaren Zeiten gut nutzen! Es geht los, zusammen mit Martina: Rauf da auf das göttliche Bergmassiv. Zu den höchsten Gipfeln Skalia, Skolio, Mytikas. Mich hätte eine griechische Landschildkröte überholt, wäre sie da gewesen. Die Beine scheinen recht sauer zu sein!

Schließlich der Ausblick vom Skalia auf die höchste Erhebung den Mytikas:

Der Skolio:

Wohl dem, welcher früh oben war. Beim Abstieg zieht wieder der Nebel auf:

Der Abstieg bis ganz unten ohne Sicht macht uns nichts mehr aus. Wir haben alles gesehen!

Am Abend, zurück in Litochora nur noch senkrechte Körperhaltung.

Esel Rivas hat ganze Arbeit geleistet! Sitzt man doch seitlich auf einem Holzgestell. Vom Nabel abwärts blau-grüne Flecken stöhnt Achim noch tagelang.

Dion:

Das Kontrastprogramm zum Gipfelstürmen: Eine Ausgrabung.
Nicht weit entfernt liegt Dion, eine antike Stadt am Fuße des Olymp. Alexander der Große sonnte sich hier. Mit Blick auf den Götterberg fanden hier prunkvolle Feste statt.

Wir nähern uns „Olymp geschädigt“ dem archäologischen Park, breitbeinig und mit schlurfenden Beinen. Wir müssen einen erbärmlichen Eindruck am Kassenhäuschen hinterlassen haben, bekommen wir doch zwei Ermäßigten-Karten für Rentner und Behinderte….

Sogar wir finden: Eine schöne Ausgrabungsstätte. Tolle Verbindung von Natur und Kultur:

Danke Martina für so manches schöne Foto!

Weiter geht unsere Reise ohne große Worte von Thessalien über Makedonien.
Die endlose Sandstrandküste Paralia Korinos mit Blick auf den Olymp:

Unsere ständige Hundepension:

Den Strand ein Stück weiter Richtung Salzgewinnungs-Areal:

Des Nachts Froschquaken und am Morgen die Wanderung der Jugend. Ich schmeiße mich, leider nur mit Handykamera in den Sand, spiele Grzimek und beobachte die kleinen, possierlichen Tierchen. Zu Tausenden des Weges. Oh Gott – da müssen wir gleich lang fahren!!

An Thessaloniki vorbei zum Orfynio Beach:

Wir erreichen Keramoti, ein goldiges Städtchen mit der Fährstation nach Thassos. Wir stehen auf dem Sandstrandbogen und beobachten die Fähren mit Blick auf die Insel. Ein Traumplatz.

Der Blick auf die Insel Thassos:

Etwas weiter östlich mündet der Fluss  Nestos in das Meer. Ab hier beginnt die Region Thrakien mit seinem türkischen Einschlag.
Dummerweise ist es ein Wochenende, an dem wir den Wanderparkplatz vor der Nestos-Schlucht aufsuchen. Adventure Park, organisierte Kanutouren, ordentlich was los ist hier und außerdem zu heiß für das Wandern entlang der Schlucht.

Kurz entschlossen ziehen wir weiter und trudeln ein am Strand bei Glifada. Flach bis hügelig ist es hier, man sieht Baumwollfelder und Mähdrescher, welche sich jetzt schon ans Dreschen machen. Richtung Meer flache Süßwasserseen mit Flamingos und vorne am Strand wenige griechischen Angler. Sonst nichts!

Die Weiterfahrt am folgenden Tag Richtung Türkei gestaltet sich, nun ja, wie würden unsere Freunde sagen: „typisch Schöttis!“
Ohne Plan, irgendwo wollen wir ein Plätzchen suchen mit 4G-Empfang für letzte Recherchen vor dem Einzug in die Türkei und für die Fertigstellung der letzten Griechenland Berichte.
Es ist Sonntag! Alle Stichstraßen zum Meer unschön und überfüllt, Alexandropolis nicht unsere Traumstadt, im Vogelparadies des Evros-Deltas herrscht Bremsenalarm , eine sengende Hitze und Trockenheit im Feuchtgebiet ohne Vogelsicht. Wir landen schließlich im Nationalpark bei Dadia. Nach langer Suche kommen wir am Waldrand unter einem Baum zum Stehen und rühren uns nicht mehr weiter! Den Zweck der Platzsuche verfehlt: Für Recherche und Blog kein Empfang!

Geier gucken ist angesagt am nächsten Morgen. Alle vier Geierarten sollen hier nisten. Geier Aktivitäten morgens bis 10 Uhr. Gnadenlos verschlafen kommen wir zu spät los und erreichen mit den Fahrrädern den Ausguck auf einem Gipfel um 5 Minuten nach 10 Uhr. Geier-Aktivitäten seit 5 Minuten eingestellt! Wir stehen da oben bestückt mit Teleobjektiv und Fernglas, zwar mit einem grandiosen Ausblick aber ohne Geier. Überhaupt: Man hört keinen einzigen Vogel. Denen ist es zu heiß!

Jetzt stehen wir kurz vor der Grenze zur Türkei an einem kleinen See und haben prächtigen Empfang für den Abschluss von Bericht und Video für den Blog.
Morgen geht es Richtung Meerenge der Dardanellen für die Überfahrt auf den asiatischen Kontinent.