Durch die Türkei, entlang der Schwarzmeerküste Richtung Georgien:

10. August 2018

Der Wecker klingelt um 5 Uhr morgens. Wir haben eine lange Strecke vor uns. Bis Georgien sind es 1800 Kilometer. Unsre „Besuchserlaubnis“ in der Türkei endet am 2. September. Wir müssen uns auf den Weg machen. Auf Grund des desolaten Zustands unseres Fahrerkabinenklimas sehen wir von Fahrten durch die Mittagshitze ab und schälen uns aus dem Bett als gerade der erste Gesang des Muezzins ertönt.
Aufstehen vor Sonnenaufgang? Gizmo ist zu wirklich nichts zu gebrauchen um diese Uhrzeit. Man kann ihn förmlich denken hören: „Habt ihr noch alle Tassen im Schrank?“

Das Klima im Auto ist dann doch tatsächlich besser als befürchtet. Vorwiegend mittig bläst die kühle Luft der neuen Klimaanlage in die Fahrerkabine und trifft dabei zuerst auf die Eminenz Gizmo. Sein komfortables Ausschlafen ist dadurch gewährleistet. Da draußen ein angenehmer, lebhafter Nord-West Wind pustet, bleibt die Temperatur beim Fahren unter der 30-Grad-Marke. Die neue Errungenschaft aus China gewinnt den Kampf. Na also!
Wir kommen weiter als gedacht. Mittags machen wir Siesta an einem für das türkische Volk so beliebten Picknick-Platz. Was wohl eine einmalige Angelegenheit war. Wir lernen daraus: Picknickplatz Türkei = Müll = Schmeißfliegen = Meiden!

Am Abend stehen wir idyllisch an einem kleinen Stausee vor Bursa.

Morgens weckt uns das Gebimmel der Glocken. Eine Schafsherde behütet von fünf imponierenden Kangals umringt unser Auto. Ein Mund mit einem verbliebenen Schneidezahn grüßt uns freundlich: der Hirte. Wir trinken Kaffee, die Schafe grasen unbekümmert, die Hundeverständigung scheint perfekt zu sein.

Am Ulubat See suchen wir uns ein kleines Dorf aus für einen ersten Stopp: Gölyazi.

 Eigentlich wollten wir hier nur kurz frühstücken und dann weiter ziehen. Aber….

Wir frühstücken unter einer 750 Jahre alten Platane mit Blick auf den See und wundern uns über die vielen bunten Allrad-Fahrzeuge, welche hier in diesem beschaulichen, konservativen Fischerdorf über das Kopfsteinpflaster knattern.

Mit Überrollbügeln, riesengroßen Reifen, röhrenden Auspuffen und mit Fahnen bestückt. Achim löst das Rätsel, kommt mit dem Veranstalter eines Offroad Events ins Gespräch: Einmal im Jahr trifft man sich hier zu einem Wettkampf auf einem Spielplatz für große Jungs: Ein Parcours über irrwitzige Hindernisse.

Achim freudestrahlend: „Die haben uns eingeladen! Wir gehören unbedingt dazu mit unserem Auto. So hat man gemeint. Da fahre ich mit durch den Parcours!“ Ich denke mir nur „So, so. Ob er da was falsch verstanden hat?“

Wir sind einmal wieder zur rechten Zeit am rechten Ort. Unglaublich!

Um die Mittagszeit knattert man über die fahnenbestückte Brücke für einen Willkommens Konvoi. Hintereinander geht es zu einem nahegelegenen Gelände, auf dem das Ganze stattfinden soll. Wie ein Elefant seinen Flöhen folgt das Wombat dem Pulk aus bunten Offroad-Fahrzeugen.

Wir verbringen zwei tolle Tage. Einfach unglaublich, welche Hindernisse hier bewältigt werden. In Zweierteams wird gestartet und  man hilft sich gegenseitig mit Winden und Gurten.

Mit bester Aussicht verfolgen wir das Spektakel:

Achim bekommt leider keine Startnummer. J

Trotzdem schüttele ich den Kopf. „Toller Sport….“ Am zweiten Tag sind die Hälfte der Autos mit geplatzten Kühlern und Getriebeschäden ausgeschieden. Einer blieb im Sumpfloch stecken und musste geborgen werden…. Aber die Männer hatten Spaß!!

Am Abend nach dem Spektakel kommen wir am Iznik See an für einen Übernachtungsstopp.

Iznik, bekannt für seine traditionelle Keramik aber auch mit interessanter Historie. Stadtmauer- und Theaterreste aus der Römerzeit und einige sehr alte Kirchen, in Moscheen umgebaut oder doch nicht..

Unter der Stadt soll sich ein „halbes Rom“ befinden erklärt uns eine Keramikkünstlerin:

Ob sich unsere Klimaanlage erst „einpusten“ musste? Keiner schwitzt, stöhnt oder hechelt auf der Weiterfahrt.  Wir landen am Abend an der Schwarzmeerküste.  Das alles auf den vierspurigen Schnellstraßen durch meist reizlose Gegenden. Eine Wonne ist das nicht.
Bis zum Schluss sind wir nicht sicher, ob wir früher oder später Richtung Küste abbiegen sollen. Unser Entschluss, schon ab Akcakoca am Schwarzen Meer Richtung Osten zu fahren ist dann doch ein völliger Fehlschuss. Dieses Stück „Schwarzmeer-Highway“ kann man sich getrost sparen. An der Küste angekommen wollen wir nur endlich irgendwo pausieren und übernachten. Nur Wo? Der vierspurige „Highway“ durch hässliche Städte und wir fahren und fahren und fahren……
Völlig genervt finden wir irgendwann eine Abfahrt mit Hinweis auf ein Camp im Grünen. Montag Ruhetag. Niemand da und wir nächtigen mit dem Blick auf die Asphaltbahn, die sich durch die Berge schlängelt.

Am nächsten Tag geht es ähnlich weiter bis Amasra. Dies soll das wohl schönste Städtchen der Schwarzmeerküste sein:

Wir kommen im Getümmel aus rosa Luftmatratzen und Riesen-Quietsche-Entchen an und unser Gemüt besänftigt sich nicht wirklich.
Letztendlich stehen wir am Ende der Hafenmole zwischen Anglern und nach einer Stunde Ruhepause sieht alles ganz anders aus: Es wird ein richtig schöner Tag. Viele in Deutschland wohnhafte Türken machen hier Urlaub bei ihrer Familie und wir haben viele nette Gespräche. Das Städtchen ist richtig schön, eingelagert zwischen zwei Buchten. Ein byzantinisches Seekastell.

Selbst Achim kraxelt mit auf die höchste Erhebung, der Wind pfeift uns um die Ohren und wir haben einen gigantischen Ausblick:

Auf Empfehlung landen wir in einem Fischlokal und essen göttlich zu kleinem Preis. Und man glaubt es kaum: Wir brauchen Jacken zum Überziehen!

Hinter Amasra ist Schluss mit vierspurigem Highway. Die alte Verbindungsstraße von West nach Ost schlängelt sich in Serpentinen und Kurven durch die Ursprünglichkeit dieser Region. Wunderschöne Aussichten auf die Küste und die Buchten, der Weg durch kleine Ortschaften und einen satt grünen Mischwald.

Ab und zu kann man den Bau der neuen Schnellstraße in der Ferne begutachten: Zum Wohle der Mobilität wühlt man sich hier durch das Erdreich, baut Tunnel und Brücken. Zum Glück nicht allzu nah am Wasser. Vielleicht hat man dazu gelernt….

Die landschaftliche Schönheit hat jedoch eine Kehrseite: Wir gurken hier auf schlechtem Asphalt mit tausenden von Kurven, hoch und wieder runter und wieder hoch und rechts und links…… Es ist für alle Beteiligten anstrengend und wir beschließen, die dreihundert Kilometer von Amasra nach Sinop auf zwei Tage zu verteilen. Aus zwei Tagen werden dann aber drei.

Haselnussbäume überall! Geerntet sind sie schon alle und liegen zum Trocknen aus:

Unser erster Stopp hinter Cide in Kuscu: Von oben sehen wir dort hinunter und sind uns einig: Da bleiben wir für den Rest des Tages!

Das Klima ist zum Aufatmen. Keine Hitze, angenehme Wärme und in der Nacht kühlt es ab.

Auch hier, wie fast überall wird das mühsame Suchen von Stellplätzen kompensiert durch die Gastfreundlichkeit der Einheimischen. Wir stehen am Strand und werden einmal wieder mit Lebensmitteln eingedeckt. Nein-Sagen ist vergleichbar mit absoluter Unhöflichkeit und so genießen wir Börek und die Tomaten aus dem eigenen Garten.

Nach gefühlten hunderttausend Kurven kommen wir nicht unwesentlich erschöpft und gut durchgeschüttelt wie das Getränk von James Bond in Sinop an. Hier ist etwa Halbzeit am Schwarzen Meer von West nach Ost. Die Stadt: überfüllt, touristisch und laut. Und irgendwie sehnen wir uns nach Ruhe. Also kommen wir westlich der Stadt auf einem Campingplatz zum Stehen: Marti Camping: „cok güzel“ – „sehr schön!“. Direkt am Strand, nicht voll, ein paar Bäume, Wiese mit Grill und Bänken. Und einer Gruppe wunderschöner türkischer Perlhühner, die hier herum picken.


Wir müssen grinsen: Mit unserer Erschöpfung sind wir nicht alleine. Einige ähnlich Reisende haben sich hier gesammelt, um sich von der letzten Etappe zu „erholen“ bevor es weiter Richtung Osten, durch den Iran nach Nepal geht oder sonst wo hin.
Wir beschließen, ein paar Tage hier zu bleiben, stellen das Wombat unter eine Kiefer und hoffen, dass alle Perlhühner am Leben bleiben.

Wir verbringen zwei Tage mit Planung unserer weiteren Reise, Austausch mit Anderen und Aufräumarbeiten. Der zerdellerte Staukasten am Heck landet nun doch auf dem Müll. Selbst bei unserem minimalistischen Leben kann (muss) man ausmisten.

Zwischendrin faul am Strand.

Aufruhr um uns herum: Ein Tornado! Ein Tornado! Wohin nur flüchten? Man sammelt sich einvernehmlich um unsern 14-Tonner. Der Luftwirbel hat sich dann aber wieder aufgelöst.

Nach drei Nächten verabschieden wir uns von den herzlichen Campingplatzbetreibern und den anderen Globetrottern. Das mit dem Perlhuhn hat Pepes Kumpel, ein streunender Beagle-Mix übernommen, was lediglich ein Grinsen des Hühnerhalters zur Folge hatte: „That’s nature!“

Auch wenn es anstrengend war dieses Stück Weg zwischen Amasra und Sinop und wir uns manchmal fragten, ob wir es nochmal so machen würden: Es hat sich gelohnt. Ist es wohl noch das letzte Stückchen türkische Schwarzmeerküste, welches seine Ursprünglichkeit bewahrt hat. Hinter Sinop nämlich beginnt die vierspurige Schnellstraße wieder. Und damit das eintönige Dahinbrummen durch weniger schöne Gegenden. Müssten wir das Land nicht in zwei Wochen verlassen, könnte man hier einen Abstecher nach dem anderen in die Berge machen. Wir bleiben aber in Küstennähe und heben uns die letzten Tage für die östlicheren Gegenden, das Kackar Gebirge auf, welches uns immer wieder empfohlen wird.

Hinter Samsuns Flugplatz finden wir ein kilometerlanges Strandstück zum Übernachten mit glücklichen Kühen als Begrüßungskomitee:

Könnte das hier schön sein, wenn der Mensch das Plastik nicht erfunden hätte…

Wie so oft fühlen wir uns auf dem abendlichen Spaziergang wie der Rattenfänger von Hameln. Irgendetwas muss es sein, was die Tierwelt an uns sympathisch findet. Es schließen sich immer irgendwelche Hunde-Kollegen an. Unser Rekord: Eine Traube von zwölf! Natürlich ernten wir dann immer unverständliche Blicke der einheimischen Bevölkerung. Bis hin zum Ärger wenn sich Interessensgruppen bilden und gemeinsam die Straßenkatzen auf Bäume gejagt werden. Heute schießen wir im wahrsten Sinne des Wortes den Vogel ab: Ein junger Esel fühlt sich wohl einsam, bereichert unsere Gruppe und reiht sich ein. Gizmo ist unschlüssig, ob er das tolerieren soll….

„Endlich mal was los hier!“

Es ist der 21. August. Vier Tage wird gefeiert hier in der Türkei: Opferfest. Die Straßen sind voll, die Familien treffen sich.
Wir schauen auf unseren Tachometer und feiern etwas anderes: Unsere vollendeten 10.000 Km seit Verlassen Deutschlands.

Auf unserem „Vier-Spur-Highway“ geht es weiter Richtung Osten. Idylle: Fehlanzeige! Stattdessen Hochhäuser und Hotelburgen. Die Schnellstraße führt direkt an der Küste entlang. Es wird im Hinterland immer grüner und bergiger, dafür die Städte an der Küste immer hässlicher. Wie viele idyllische Buchten und Städtchen hier wohl weichen mussten !?  Man könnte weinen.
Das Wetter gibt seinen Senf dazu: Es regnet.

 

 

 

 

 

 

Anfallsartig leide ich einmal wieder unter einer „Fahr-Koller-Attacke“ und hinter der Betonstadt Girsun biegt Achim in die Berge ab. Das heutige Fahrpensum erfüllt! Der königliche Navigator landet auf einem Feldweg, welcher auf einem Privatgrundstück endet. Ein älteres Ehepaar stürmt winkend von der Terrasse auf uns zu. Man redet auf uns ein in türkischer Sprache und zückt schließlich die Smartphones. Er: Videokonferenz mit Sohn in Glasgow. Sie: Mit Tochter in London. Wir bekommen jeweils ein Gerät in die Hand gedrückt und werden von den „Kindern“ auf Englisch willkommen geheißen. „We are so happy to meet you! Please stay over night in our garden. Are you hungry?” So schallt es aus beiden Telefonen.
Ein Entkommen ist zwecklos und absolut unhöflich und so parken wir zwischen unzähligen Haselnussbäumen, trinken zusammen Chai und unterhalten uns mit Händen und Füßen. Wir versuchen es zumindest!

Richtung Trabzon geht es am nächsten Morgen weiter: Eine Stadt hässlicher als die andere. Man sollte es kaum glauben aber man findet wirklich keinen, aber auch wirklich gar keinen halbwegs angenehmen Platz für eine Pause. Über hunderte von Kilometer hinweg. Mit Ardesen erreichen wir schließlich den Ort, an dem es in die ersehnten Berge geht. Und wir freuen uns auf etwas Schönes, auf grüne Natur und Stille. So oft hat man uns diese Gegend ans Herz gelegt: „Da müsst Ihr unbedingt hin“. Das Pontische Gebirge, auch genannt Kackar Gebirge nach armenischer Namensgebung.

Tja: Feiertage und Ferienzeit. Halb Istanbul scheint durch diese Straße hinauf zu den tollen Bergen zu rollen. Nach der zehnten Rafting-Station wird uns klar: Wir sind zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort! Das natürlich ironisch gemeint. Ein Auto nach dem Anderen, Stau und die Laune auf dem Tiefpunkt. Obwohl es hier wirklich schön ist.

Die kleine Straße entlang des Gebirgsflusses Firtina erreichen wir Camlihemsin. Ja, es ist wirklich entzückend hier, so wie alle geschwärmt haben. Wenn da nicht die Menschenmassen wären. Vergeblich versuchen wedelnde Polizistenarme das Chaos in den Griff zu bekommen.

Kurz vor der Resignation und unserem Entschluss, wieder umzukehren kommt ein Lichtlein: Ein Einheimischer: „Nein. Ihr dürft nicht umkehren. Es ist so herrlich dort oben. Ich zeige Euch einen ruhigen Platz hier in der Nähe. Da könnt Ihr Euch ausruhen und morgen fahrt Ihr so weit nach oben, bis die Almen kommen.“ Gesagt, getan und wir landen in einer kleinen Seitenstraße am Hang vor uralten Bauernhäusern.

Wir dürfen auch das Innenleben begutachten. Die Feuerstelle in der Küche ist so groß wie unser Wombat!

Erholt und guten Mutes denken wir am nächsten Morgen: Na die 20 Kilometer machen wir noch mit links, dann stehen wir auf ner Hochalm.
Pustekuchen!
Der Türke liebt bekanntlich das Picknick. Mit dem Auto und der ganzen Familie ins Grüne, Aussteigen und mit Sack und Pack, Liegestühlen, Sonnenschirmen, Grill und Teekocher den Tag genießen. Das zu Tausenden am Fluss entlang, verbunden mit Verkehrschaos und Stau. An Restaurants und Sehenswürdigkeiten, alten Brücken und Burgen der totale Stillstand. Und das Wombat mittendrin.
Zur empfohlenen Alm führt schließlich ein einspuriger Schotterweg, den wir wählen. Zur Krönung des Tages müssen wir im Rückwärtsgang zurück weil zu viel Gegenverkehr herrscht. Und das an Abhängen und Felsvorsprüngen vorbei. Eine halbe Stunde wird es gedauert haben. Geschätzte zwanzig Autos vor und hinter uns, warten geduldig und applaudieren als wir schweißgebadet mit dem Heck voraus wieder den Hauptweg erreichen.

Es bleibt uns nichts anderes übrig, als der Asphaltstraße weiter in die Höhe zu folgen. So langsam wird auch der besonnene Achim mürrisch.

Irgendwann treffen wir andere Autos nur noch im Fünf-Minuten-Takt und ich bin mittlerweile mit den Hunden zu Fuß unterwegs. Schließlich kommen wir in dem Dorf Elevit Yaylasi an. Mitten im Kackar Mountains National Park.

Ein Platz am rauschenden Bach, Ausblick auf das Dorf und in kurzer Zeit sind wir wieder versöhnt mit uns und der Türkei.

Neben uns zelten vier junge Künstler aus Istanbul. Film, Foto und Berichte sind ihr Thema und das über ein Leben in der Natur. Mit Sponsor und über Social Media berichten die vier über ihre Outdoor Erlebnisse. Und sind total begeistert von unserem Lebensentwurf. Wir werden gefilmt und interviewt. Sind wir gespannt, was dabei heraus kommt…

Eine Bereicherung ist es, die Vier kennen zu lernen. Tolle Menschen sind das.
Als Erinnerung schenken sie uns einen Stein. Zwei sich kreuzende Linien als Symbolik für uns beide?
Oder für Wege, welche sich kreuzen?

 

 

 

Am Nachmittag zieht hier Nebel auf. Noch weiter hinauf müsste man und da treffen wir Sevki, einen Deutsch-Türken, welcher uns genau dies empfiehlt und den Weg beschreibt. Er käme auch dort hin mit Freunden und Familie. Natürlich zum Picknick machen!!

Also weitere 800 Höhenmeter, welche Achim rumpelnd sitzend und der Rest der Mannschaft ruhigen Schrittes und genießend bewältigt. Eine herrliche, unberührte Bergregion!

Und wir landen in  Hacivanak Yayla. Auf 2600 Meter Höhe, ein fast verlassenes Dorf.

Zwei Häuser sind noch bewohnt.  Ansonsten gibt es hier ein paar Kühe. Und die sind sowas von glücklich: Den ganzen Tag trotteln sie irgendwo herum, auf der Wiese, am Bach oder im Dorf. Hinterlassen ihre duftenden Fladen und werden am Abend per Pfiff und Rufen in den Stall gelockt. Bevor es ins Stroh geht wird man noch einer Körperwäsche mit dem Wasserschlauch unterzogen. Was ein Leben für ein Rindvieh!
Ich singe den ganzen Tag vor mich hin, habe einen Ohrwurm: „Ich steh‘ bis zu den Waden in einem Kuhfladen.“
Mal was anderes ins Wombat getragen als immer nur Sand….

Wir sind hier mitten drin. Ein Erlebnis!

Das Kackar-Gebirge:
Es ist hier das Land der Hemsin, Menschen armenischer Abstammung. Kac kommt aus dem Armenischen und bedeutet “heilig”. Kar heißt übersetzt “Stein”.
Wir stehen in den heiligen Steinen.

Beim Picknick dabei und willkommen bei den wenigen Dorfbewohnern.

Unsere Hunde sind ebenfalls begeistert von dem Dorfleben. Man ist sich nur noch nicht schlüssig, wie man mit den Rindviechern umgehen soll.

Am nächsten Morgen: Wanderschuhe auspacken. Wanderwege gibt es hier nicht, da der Türke ja selten wandert. Querfeldein über den Berg geht es zu einem verwunschenen See. Mit meiner Sommerkondition krieche ich da hoch.

Gizmo streikt mal wieder nach kurzer Wegstrecke, sieht hoch hinauf Richtung Ziel und macht eine Kehrtwende. Das Dorf zu bewachen ist weniger anstrengend!

Dafür begleitet uns der Dorf-Kangal. Das ist wenigstens ein Hund! Er weicht uns nicht von der Seite, weist den Weg und sorgt regelmäßig für Abkühlung seines Systems.


Noch nie bin ich durch solch eine unberührte Natur gewandert. Überall kleine Quellen und Bäche, an Blaubeeren kann man sich satt essen, kein Mensch hat hier in irgendeiner Weise eingegriffen.

Über einen Kamm und dann dieses herrliche Bild:

Und ich denke: Ein Zelt müsste man haben! Dort oben an diesem einsamen Bergsee wird man begrüßt von drei netten Wanderwütigen, welche dort ihr Lager aufgeschlagen haben. Und es sind doch tatsächlich Türken aus Ankara! Es gibt sie also doch die Ausnahmen.

Natürlich darf ich nicht weiter laufen, ohne mit ihnen gespeist zu haben: Bulgur-Pfanne vom Gaskocher.

So sieht der Achim das Ganze von weit oben:

Am nächsten Morgen ruft uns die gute Luft. Wir entfliehen den Düften der glücklichen Kühe und rumpeln den Weg hinab Richtung Dorf.

Auf halbem Weg ein Stellplatz zum Meditieren. Und weil der rauschende Bach so nah ist auch zum Wäschewaschen.

Am späten Nachmittag kurzeitig wieder eine mystische Stimmung:

Es geht wieder das Tal hinab. Es ist leerer geworden . Ein paar wenige Urlauber noch. Sie schwingen sich über eine der zahlreichen “Seilbahnen” über den Fluss und kreischen…

Und da sind wir wieder: Auf dem Highway der Schwarzmeerküste entlang. Aber zum Glück nicht lange: In Arhavi geht es wieder ab in den Wald und die Berge.

Eine schöne Anekdote:
Für die geplanten nächsten Tage am rauschenden Bach decken wir uns in Arhavi mit Lebensmitteln ein . Nur noch ein Metzger fehlt für das Glück von Tier und Mensch. Man trifft sogleich wieder einen freundlichen Türken, welcher mit Rat und Tat zur Seite stehen möchte.
Achim fragt: „Do you speak English?“
Der Türke freudestrahlend: „Yes, yes!!“
Achim: „We are looking for a butcher.“
Der Türke kratzt sich am Kopf.
Achim: „Metzger.“
Der Türke kratzt sich auf der anderen Seite.
Achim meckert wie eine Ziege.
Der Türke strahlt und winkt Achim, er solle in sein Auto steigen. Sie fahren los.
Und sie kommen an:
Bei einem Käseladen!
Falsch!
Achim kopfschüttelnd, macht „mäh“ und „muh“ und zeigt mit dem Finger auf seinen Mund und reibt seinen Bauch.
Der Türke nickt, strahlt und winkt wieder ins Auto.
Und sie kommen an:
Bei einem Restaurant!
Der Türke gibt enthusiastisch mit Handzeichen zu verstehen, dass dies sein bester Freund sei und dies die beste Küche sei in der Stadt.
Falsch!
Achim kopfschüttelnd, zeigt auf den Grill und meint: „Picknick“.
Und da kommen sie schließlich an am gewünschten Ziel.
Nach einer halben Stunde Stadtrundfahrt und erfolgreichem Einkauf wird sich gegenseitig auf die Schulter geklopft. Und man wünscht uns gute Fahrt. 🙂

Hoch hinauf wollen wir nicht mehr. Es ist wahnsinnig schwül und heiß und die Berge sind wolkenverhangen.
Ein kleines Stück nur das Tal hinauf und wir stehen hier:

Nach weiteren vier Kilometern durch das Kamilet Tal erreicht man den Mencuna Wasserfall. Ach, es ist wieder Feiertag! Auf Grund dessen ist das alles nicht sehr verträumt. Aber wir lachen viel mit all den Ausflüglern beim Aufstieg zu dieser Attraktion:

Ein kleines Stück das Kamilet-Tal hinunter geknattert und hier bleiben wir stehen:

Inmitten von verlassenen Picknick-Stellen stehen wir.
Picknick in diesem Lande ist unsausweichlich verbunden mit Unmengen an Hühnchenknochen in den Büschen oder auf den erkalteten Feuerstellen. Es beschleicht uns eine Furcht vor dem türkischen Hühnchenknochen-Tod unserer Hunde.
Wir passen auf wie ein Luchs!!

Mit dem Fahrrad am nächsten Tag das einsamere Seitental hinauf und wir sind uns wieder einig: Schön hier! Wasser muss nicht berühmt sein und weit hinab rauschen.

Zwischendrin immer wiederTee-Anbau:

Es ist schwül und regnerisch. Fast wie im tropischen Regenwald!

Man wundert sich doch sehr, welchen Zweck die runden Holzfässer an den steilen Felsabhängen haben. Da sehen wir welche direkt des Weges: Das sind tatsächlich Bienenhäuser!
Warum auch immer man diese Stellen auserwählt hat, man beneidet den Imker nicht wirklich…

2. September 2018:
Das letzte Stück Schnellstraße Richtung Georgien huscht unter uns entlang und wir blicken zurück:

Etwa 2800 Kilometer haben wir durch die Türkei bewerkstelligt. Das meist auf langweiligen, ausgebauten Schnellstraßen. Was natürlich auch seinen Vorteil hat: Das Land ist groß und möchte man es schneller passieren, sind diese Straßen hier ein bequemer Traum. Ein genüssliches Bereisen wie wir es bisher kennen war das jedoch nicht. Was natürlich in erster Linie mit der Wahl unserer Reiseroute zu tun hatte. Und mit der Reisezeit hierher im Hochsommer. Unserem Motto „Der Weg ist das Ziel“ sind wir durch die Türkei untreu geworden. Oftmals waren die Fahrten auf den Schnellstraßen einfach nur öde.
Wohnmobile trafen wir gar nicht, Globetrotter, so wie wir, nur wenige auf dem Weg in den Osten.

Das wunderschöne Gebirge im Süd-Osten der Türkei haben wir ausgerechnet in der absoluten Urlaubszeit besucht. Ich denke, es gibt zu dieser Zeit keinen Platz an irgendeinem Gebirgsbach, der noch nicht belegt ist von „Picknickern“. Es sei denn, man fährt hoch hinauf. Anstrengend war es, anderseits hätten wir nicht die tollen Menschen kennen gelernt dort oben, welche mit Zelt oder Allrad-Auto für ein paar Tage die Natur genießen.

Wir waren Gast in der Türkei und erlebten die Neuwahlen des Parlaments mit und den gravierenden Währungsverfall. Geäußert wurde sich hier nie über solche Dinge. Wenn, dann nur kurz, knapp und oberflächlich um gleich darauf abwinkend zu einem anderen Thema über zu gehen.

Nach stundenlangem Fahren auf den Schnellstraßen hat uns die unglaublich große Gastfreundschaft immer besänftigt. Egal wo wir landeten zum Pausieren oder Übernachten: Herzlichkeit überall. Wir mögen die Einheimischen! Mit ganz wenigen Ausnahmen wurden wir immer lächelnd und neugierig begrüßt, fühlten uns durchweg willkommen und sicher und hatten viele tolle Gespräche und neue Bekanntschaften.

Unsere Hunde schließen sich unserer Meinung an: Vom Sofa bis zum Hühnchenbein, alles wurde geboten. Und es ist einmal wieder Diät angesagt!

Ja, Achims Drohne hatten wir vor der Einreise im hintersten Eck des Wombats versteckt.  Aus Angst vor einem Spionage-Verdacht und Inhaftierung, versteht sich. In Urla haben uns alle so ausgelacht deswegen, dass die Tränen flossen. Also sind dann doch einige schöne Luftaufnahmen entstanden.

Jetzt stehen wir an der Grenze zu Georgien und sind gespannt auf dieses Land. Freuen uns auf die Natur und die Kultur und werden sicherlich keine Schnellstraßen wählen….