01. November 2018
„Welcome to Iran“!
Am Grenzübergang sind alle am Lächeln. Ich zupple nervös an meinem Kopftuch herum und ziehe den Pulli über den Po, soweit es das Material zulässt. Aber das wird sich sicher bald legen wenn das Outfit zur Routine wird.
Tabriz ist unser erstes Ziel. Ach liebe ich die Großstädte! 😉
Zum Stehen kommen wir mitten im Hauptstraßen-Verkehr auf einem Parkplatz neben einem großen, grünen Areal, welches für Camper und Durchreisende mit Auto freigegeben wurde. Achim geht auf Besorgungstour mit dem Taxi. Ein kleiner Spaziergang durch die Stadt mit den zwei Vierbeinern an der Leine wird für mich währenddessen zum Abenteuer. Über vier stark frequentierte Fahrspuren stürzt man rufend und winkend auf uns zu, zwischen hupenden und bremsenden Autos riskiert man sein Leben für uns. Ein blondes Pony unter dem Kopftuch und ein ein Halb imposante Hunde, das möchte man kennen lernen. Wir scheinen ein ungewöhnliches Bild abzugeben und ich lerne sogleich die warmherzige Willkommenskultur kennen, von der jeder spricht. Alle freuen sich über uns.
Nachmittags trudeln auf unserem Stellplatz andere Reisende an, mit einem Haufen wertvoller Informationen im Gepäck weil aus der Gegenrichtung kommend.
Mit dem Taxi geht es gemeinsam quer durch die Stadt am Abend. Ein Besuch auf dem Basar. Und weil wir neu sind in diesem Land: Dies an einem Freitag, welches hier wie ein Sonntag ist. Längst nicht alle Stände haben geöffnet, dafür ist es schön ruhig.
Der Gewürzhandel! Ich mache einen Luftsprung und stürze mich auf das, was ich so liebe. Der Verkäufer amüsiert sich wohl über meine Euphorie und Einkaufswut.
Von Kardamom bis zum Argan Öl, alles in der Tasche. Und der iranische Safran riecht göttlich!
Man beachte Dr. Oetker zwischen all den bunten Kostbarkeiten 😉
Man(n) fährt nach Navigationsgerät und wir müssen hier durch…
Die offizielle Durchfahrt unter der Brücke hindurch neben diesem beachtlichen Taxi-Aufkommen reicht von der Höhe nur für Flachlimousinen.
Zwischen Tabriz und Zanjan wird es bunt: Für jene, welche hier leben, scheint das etwas Normales zu sein aber wir bekommen den Mund nicht mehr zu: Bunte Berge. In Rot, Weiß und verschiedenen Ockertönen gefärbte Bänder in der Abendsonne.
Eine Stichstraße ins Innenland ist Unsere und wir kommen zum Stehen:
Man könnte fast ein Känguru erwarten, das um die Ecke kommt. Besuch bekommen wir aber nur von einer Schafsherde inklusive Bewacher.
Es folgen sorgenreiche Tage. Schon hier, unter den bunten Bergen signalisiert unser Gizmo: „ Mir geht es dreckig.“ Es wird nicht gefressen, Wasser verweigert und Laufen geht schon gar nicht. Horrorinformationen sind uns noch im Ohr: „Im Iran darf Euren Hunden nichts passieren. Da gibt es keine Tierärzte.“
Um es vorweg zu nehmen: Es gibt sie! Und zwar sehr gute und liebevolle, die sich richtig gut kümmern. Auch viele hundefreundliche Iraner sollten wir später kennen lernen, welche sich sogar von Gizmo küssen lassen. 😉
Zurück zum Problem: Eine Recherche ergibt, dass es in Zanjan eine Tierklinik gibt. Gelandet sind wir aber bei einer Art Veterinäramt. Trotzdem untersucht und behandelt man unseren Hund liebevoll. Eine Infektion wird es wohl sein. Wir vermuten, das unerlaubte Fressen von Verdorbenem, sowas wie ein grünes Huhn, im Park von Tabriz.
Antibiotika- und Aufbauspritze aber Laborwerte sind leider nicht möglich.
Wir beobachten das Befinden und beschließen zwei Tage später, es erneut zu versuchen mit einer Klinik. In Qazvin landen wir schließlich in dieser tollen Praxis:
Da liegt er nun unser Hund, an eine Infusion angeschlossen. Wohl ein Magen-Darm Infekt, das wenige Trinken hat zur Austrocknung geführt. Gute Nachricht: Das Blutbild ist bombastisch gut. „Exoten im Ausland“, grinst man uns an.
Die Ärzte sind sowas von fürsorglich und nett. Am Abend kommt uns einer von ihnen im Wombat besuchen für eine weitere Behandlung. Er baut uns auf mit seinem Humor. Es gibt einmal wieder eine Zeichnung zu verschenken:
Fast (!) wie Poppeye nach seiner Spinat-Mahlzeit…
Hundeerholung im Federbett und wir machen uns am Abend auf den Weg Richtung Qazvin Altstadt. Die Karawanserei Sa’d-al Saltaneh: Der alte Basar aus der Kadscharen-Zeit ist schön restauriert und beherbergt heute Waren von den unterschiedlichsten Künstlern.
Der Rest des Basars ist zum Glück auch überdacht. Es regnet in Strömen. Man findet hier wirklich alles! Achim fragt beim Metzger aus Gewohnheit nach Kotelett und erntet ein Augenzwinkern. 😉 Oder so was Ähnliches.
Am nächsten Morgen fahren wir von unserem Stadtparkplatz ein Stück in die Berge und finden einen ruhigen Stellplatz in einem Felsenmeer. Hier, nach Niyagh kommen auch viele Einheimische weil es so schön ist.
Gizmo soll sich erholen. Sich gesund schlafen, das konnte er schon immer.
Jeden Tag fragen die Ärzte nach, wie es ihm geht. So ist das mit den blöden Vorurteilen…..
Sie ist schon hunderttausendfach erwähnt worden von Iran-Reisenden: Die herzliche Willkommenskultur in diesem Land. An jedem Ort wird man eingeladen, das ist Tradition. An jedem Ort hat man Hilfe für Anliegen aller Art.
Zum Beispiel diese Familie auf einem Ausflug in die Steine:
Das Wetter lässt zu wünschen übrig und wir streichen einen Besuch des nahe liegenden Alamut-Tals. Zum Wandern wohl eine Sensation, allerdings nicht bei nebelverhangenen Bergen. Wir bleiben bei unseren Steinen bis Gizmo wieder trinkt wie ein Kamel und frisst wie ein Scheunendrescher. Nur die Beine sind noch etwas klapprig. Wir drapieren das Daunenkissen unter das Haupt des sterbenden Schwans und fahren weiter.
Es wird so langsam ungemütlich kalt hier im Norden. Also weiter Richtung Süden und Wüste. Über Saveh geht es nach Delijan. Hier hat unser Gebrumme auf Schnellstraßen Gott sei Dank erst einmal ein Ende. Es geht ab auf kleinere Straßen Richtung Kashan und von dort aus in die Wüste. Hinter Delijan finden wir am Gisoo Wasserfall einen ruhigen Stellplatz.
Der Wasserfall leider ohne Wasser aber die Schlucht schon beeindruckend:
Wir genießen die Ruhe. Hat uns doch das Fahren über Schnellstraßen und das Nächtigen in Großstädten ein wenig geschlaucht. Zwei mal schon bekamen wir zu späterer Stunde Besuch von der örtlichen Polizei mit der Bitte, wir mögen doch auf einem zentraleren Parkplatz übersiedeln. In den Tumult und Lärm der Innenstadt. Natürlich nur weil man besorgt um uns ist.
So genießen wir die Ruhe an unserem Wasserfall ohne Wasser und es klopft doch tatsächlich schon wieder während des Abendessens. Polizei! Zum dritten Mal Übersiedeln!
Wir landen nach über einer Stunde Fahrt im Dunkeln in Mashad Ardehal. Ein Trost: Der Parkplatz ist ruhig und neben uns der wundervolle Anblick der beleuchteten Moschee:
Am Morgen sieht das dann so aus:
Nach Kashan fahren wir vorerst nicht hinein sondern ein Stück in die Berge hinauf hinter der Stadt. Jetzt aber Ruhe tanken!
Zahlreiche Wanderwege führen hier in die Berge. Ohne jegliche Markierung oder Beschreibung mache ich mich mit Pepe auf den Weg und lande in einem unerwarteten Kletterparadies. Das ohne Helm und Seil, geschweige denn Wanderschuhe! Der furchtlose Spitzohr-Kaspar klettert wie eine Gämse vor mir her während ich mich mental aufbaue mit Gedanken wie „da bist Du auch runter gekommen, dann kommst Du auch wieder hoch!“
Keine Polizei, himmlische Ruhe. Unser Iran Aufenthalt hat nicht so glücklich begonnen aber wir sind wieder versöhnt. Eine traumhafte Landschaft und außerdem freuen wir uns auf die Wüste.
Der nächste Tag: In der Innenstadt Kashans hören wir ein verdächtiges, pfeifendes Geräusch. Wir werden doch wohl keine Luft verlieren?
Platten hinten rechts mitten in der Stadt. Welche bösartige Sternenkonstellation begleitet uns wohl momentan?
Das Gute daran: Sofort eilen bestimmt zehn hilfsbereite Iraner an, einer wohl ein Profi in Sachen Reifen. Der ist ein bisschen schneller als wir zu zweit beim letzten Platten. Zack ab und auf den Pick-Up und husch, weg sind sie zum Flicken, der Profi und mein Mann. Der Rest der Mannschaft spielt derweilen Zoo und sammelt Menschentrauben um das Fahrerhaus.
Der Profi entpuppt sich als Dieb. Der hat jetzt mein Handy in der Tasche. Schwarze Schafe gibt es weltweit. Zum Glück war es nur das Zweithandy für Whats app Nachrichten, ein älteres Modell.
Kurz vor der Abenddämmerung erreichen wir hinter Aboouzeyd Abad, etwas südlich von Kashan die Einfahrt in die Wüste Marenjab und kommen im Pulversand zum Stehen. Pepe wetzt wie ein Besessener zwischen den Sanddünen herum und freut sich über die Hasenbauten.
Der nächste Morgen: Wir wollen eine Runde machen von hier aus Richtung Salzsee und Dünen, um in Kashan wieder herauszukommen. Nicht, dass wir uns nicht erkundigt hätten: Wir fahren einen uns mehrfach empfohlenen Weg und so sieht das Ergebnis unserer ersten Wüstenerfahrung nach einer halben Stunde Fahrt aus:
„Ich glaube, um uns herum, das ist ein Salzsee“, sage ich noch und da zischt das Wombat nach links unten ins Erdreich, kommt zum Stehen und der Horizont, auf den wir blickten hat sich immens nach schräg unten verschoben. „Ich hab‘ gar nichts gemacht! Das war das Wombat!“ sind die ersten entrüsteten Worte aus Achims Mund.
„Mann! Hatte ich ein ruhiges Leben in Deutschland“ denke ich vor mich hin während ich unter dem Wombat Sandverschiebungen vornehme. Wir schippen wie die Besessenen, verbiegen unsere Sandbleche konkav und erliegen nach Stunden Arbeit unserer Erschöpfung.
Da kommt ein älterer Farmer mit Wollmütze kurz vor der Abenddämmerung mit seinem Pick Up vorbei. Kein Wort Englisch aber irgendwie meinen wir zu verstehen, dass er Hilfe holen wird.
Wir machen Schluss mit Schippen, morgen ist ein neuer Tag!
Das Wombat schief wie die gerade versinkende Titanic, geben wir ein lustiges Bild ab im Innenraum. Während ich krampfhaft den Wasserkessel auf dem Gasherd festhalte, rutscht Pepe von Draußen rein und rumst gegen die Bad Tür.
Unserem Lord wird der Neigungswinkel mit Kissen ausgeglichen für einen erholsamen Schlaf. Damit ist nicht Achim gemeint. Dieser ist so erschöpft, dass er nach fünf Sekunden in absoluter Schräglage schnarcht wie ein Brüllaffe.
Man klopft uns abends aus dem tiefsten Tiefschlaf: Tatsächlich ist die Hilfe da. Nicht in Form eines Traktors oder LKWs sondern natürlicher Muskelkraft der Wollmützen-Farmer-Söhne.
Papa Farmer gibt seinen Jungs Ratschläge, ich stehe neben ihm und darf als Frau die Taschenlampe halten. Finde es schon ein wenig peinlich, wie die vor Kraft strotzenden Söhne mit Schippen zur Sache gehen, mit der fünffachen schött‘schen Geschwindigkeit aber wohl auch Erfahrung (mit den blöden Touristen). Tja, in solchen Momenten fühlt man sich alt….
Einfach wurde es nicht. Wir brauchen fünf Anläufe und am Ende hilft das Unterlegen von Holzbalken und knorrigem Astwerk. Ein Jubelschrei kurz vor Mitternacht und wir sind da draußen aus dem Loch!
Schlafen nach kurzer Weiterfahrt gerade und im Dauertiefschlaf vor der Farm der Helfer.
Wir sind wohl zu schwer, ein Weg zum Salzsee und den riesigen Dünen mit unserem Auto: „No!“ erklärt man uns am nächsten Morgen.
Also rollen wir unsere gebogenen Sandbleche gerade und werden heraus eskortiert aus dem Gebiet mit dem nassen, salzigen Sand beidseits der Straße. Kehrt marsch.
Wie bedankt man sich bei solchen selbstlosen Menschen? Wir wissen es wieder nicht aber der Wollmützen Farmer besitzt nun eine Jack Wolfskin-Fleeze-Kappe mit Ohrenschützern und freut sich tatsächlich ein Bein ab. Vielleicht muss er bald wieder in der Kälte stehen wenn seine Söhne blöde Touristen freischaufeln.
Eine Ergänzung zum Drama:
Wir sind schon in der nächsten Wüste, da erreicht uns eine Nachricht von Linda und Arnim, unterwegs mit einem umgebauten Feuerwehr-Laster: Die gleiche Strecke gefahren, erreichen sie unser Bild der Wüsten-Verwüstung: Das völlig zerwühlte Gelände, die Sandberge und die metertiefen Löcher inklusive herausragendem Astwerk. Blöderweise wird das Mahnmal umfahren, damit die feste Straßenmitte verlassen und der rote Laster endet doch tatsächlich genauso schief im Sand-Salz-Boden. Das allerdings mit Rechtsseitenlage und gedauert hat es wohl drei Tage bis zur Rettung….
Wir hoffen, die Mannschaft im Oman zu treffen um uns gegenseitig auf die Schulter zu klopfen!
Wir verlassen also das salzige Gebiet und tuckern wieder zurück. Finden eine Düne. Die tut es auch. Einfach stehen bleiben und Durchatmen.
Und Kraxeln:
Keine Sorge. Ab hier kommen keine „Pleiten, Pech und Pannen“ mehr. Vorerst!
Auf Empfehlung landen wir an einer verlassenen Karawanserei, ein Stück in die Wüste hinein bei Martin Abad:
Ein Bus moderner Tehran-Mädels verirrt sich zu einem Ausflug hier her. „Welcome to Iran“, alle freuen sich wieder über uns:
Bei Sonnenuntergang wieder zurück Richtung Zivilisation:
Man lernt ja so manchen anderen Globetrotter kennen dank moderner Technik. Auf einer solchen Reise sind Instagram und co äußerst tauglich, man tauscht sich aus und ab und zu lernt man sich dann auch kennen. Mit Janine und Fridolin geht das schriftlich schon länger hin und her, viele Tipps haben wir bekommen und jetzt wollen wir uns treffen in der Wüste.
Auf der Höhe von Na’in beginnt unser Schlenker in die Wüste Dasht-e-Kavir mit dem Ziel Mesr. Unsere Wüsten-Erfahrungen müssen unbedingt aufgefrischt und verbessert werden….
Durch Anarak…
Ein Zwischenstopp neben Überresten von natürlichen Kühlschränken aus früherer Zeit:
Nach langer Fahrt durch eher steinige Wüste erreichen wir sie: die endlosen Sanddünen bei Mesr. Janine und Fridolin stehen hier schon, zusammen mit ihren iranischen Freunden.
Außerdem ihre „heiße“ Hündin Pamira. Schön, sie alle kennenlernen zu dürfen! Sonnenbaden am Tag, tolle Gespräche und Lagerfeuer am Abend. Jetzt fehlt nur noch mein erstes Kamel in freier Wildbahn zu entdecken!
Unsere Hunde haben auch Spaß, wenn sie nicht mit der heißen Duft Spur beschäftigt sind:
Einen Sandsturm erleben wir auch, alle verkrümeln sich in ihre Rollhäuser. Und mein erstes, frei lebendes Kamel bekomme ich auch zu Sehen. Leider beschränkt sich das auf den Ausblick aus dem Fenster über dem Bett, morgens um halb sieben, als Fridolin mit seiner Hündin Anti-Jagd-Training versucht:
Einen Tag stehen wir noch alleine hier, die Anderen zieht es in den warmen Süden ans Meer.
Uns bleiben noch vier Tage Zeit, bis wir in Yazd unser Visum verlängern wollen. Wir können die Fahrt dorthin langsam angehen. Und besichtigen richtig schöne Oasendörfer, Lehmziegelburgen und -Dörfer.
Das Oasendorf Garmeh:
Die zweite Kamel-Begegnung: “Unfreie” aber bestens geeignet zum Kennenlernen:
Über Bayazeh und seine Lehmziegelburg…
… Ziegenschönheiten
… nach Kharanaq:
Schwups hatten wir den besten Guide, den man sich vorstellen kann um in dem Wirr Warr aus Gassen in der Geisterstadt klar zu kommen:
Der Knirps kriecht und wuselt in alle Ecken, wartet geduldig bis auch Achim durch die zerbröselten Fensteröffnungen kriecht und erklärt uns alles ganz toll. Leider auf Persisch. Aber auch mit Handzeichen. „Ok?“ „Ok!“ und weiter ins nächste Eck..
Einen tollen Stellplatz haben wir:
Einen Feiertag (von sooooo vielen im Iran) sitzen wir aus in der Nähe von Yazd. Die Örtlichkeit für die Visa Verlängerung hat dann natürlich auch geschlossen. Also bleiben wir eine Nacht neben dem „Desert Tourist Camp“ etwa 15 Kilometer von der Stadt entfernt.
Hier verbringen die iranischen Familien gerne ihre Feiertage, mit Dünen-Rutschen, Picknick Plätzen und Tee Häusern. In einem solchen landen wir auch:
Vor Yazd mal wieder ein kleines „Pännchen“: Schleichender Luftdruck Abfall hinten links. Fachgerechte Reifenreparatur, zwei Stunden, Kosten: 3,75 Euro.
An dieser Stelle kann man erwähnen, dass uns 300 Liter getankter Diesel sage und schreibe elf Euro kosten. Das entschärft die Tatsache, dass man in diesem riesigen Land so viel fahren muss.
Yazd:
Wir sind wohl diejenigen mit den wenigsten abgelichteten Mosaiken und Moscheen nach einem Monat Reisezeit im Iran.
Jetzt aber: In Yazd, so nehmen wir uns das vor, endlich ein wenig mehr Zeit nehmen für die Kultur. Aber zunächst das Wichtigste: Die Visa Verlängerung für einen weiteren Monat Aufenthalt. Dazu suchen wir uns einen Stellplatz in der Stadt, um ohne großen Aufwand am nächsten Morgen in aller Frühe zur verantwortlichen Polizeidienststelle zu gelangen.
Wie immer in einer Großstadt gestaltet sich das schwierig und wie es so passieren kann, irrt man dann doch in der Dunkelheit umher, verzweifelt „Map me“ fragend und verfluchend.
Wir stehen dann irgendwann auf einem Parkplatz an einer 6-spurigen Hauptstraße. Richtig gut ausgesucht aber keiner will noch weiter suchen. Zumindest befindet sich ein Park hinter uns und wir beruhigen uns da drin bei einem Abend-Gebummel.
Um 6 Uhr klingelt der Wecker, Tiefschlafphase: vielleicht eine, die Visa Stelle ist nicht dort, wo erwartet, wir müssen dann doch durch die halbe Stadt fahren aber die ganze Abwicklung ist dann völlig unkompliziert und in zwei Stunden abgehandelt.
Es folgt die nächste Parkplatz Suche Richtung Altstadt. Und dann bummeln wir müde aber glücklich unter blauem Himmel durch eine der ältesten Siedlungen der Welt. (Laut Unesco). Alles besteht hier aus Lehmziegeln.
Man möchte nicht im August hier durch wandeln. Die Windtürme (Badgirs) erinnern an die extreme Sommerhitze. Die umweltfreundlichen Klimaanlagen sind so konstruiert, dass sie selbst die kleinste Brise einfangen und in die Zimmer leiten.
Die Masjed-e Jameh Moschee:
Iranische Großstädte und unsere Hunde:
Vorab möchte ich hier schreiben, dass wir uns lange überlegt haben, ob eine Reise in den Iran mit Hunden überhaupt gut ist. Es hat religiöse Gründe, dass der Hund als unrein gilt und es ist generell verboten, einen solchen durch die Öffentlichkeit also auch durch Städte zu führen.
Die abgeschwächte Regel: Wir sind Touristen und reisen mit Hunden. Hier drückt man gerne ein Auge zu.
Und die Wirklichkeit: Egal, wo wir mit unseren acht Pfoten erscheinen, sind wir die Attraktion und nicht mehr die Moschee im Hintergrund aus dem 15. Jahrhundert. Nach einem Monat sind wir sicherlich hundertmal abgelichtet worden „Sitz, bleib, Cheese“, Gizmo hat unzählige Frauen küssen müssen und Pepe will man generell auf den Arm nehmen, was ich mittlerweile unterbinde, indem ich erkläre: „Er beißt!“
Vom Wesen eines Hundes geschweige denn seiner Körpersprache sind hier keine Kenntnisse vorhanden. Die meisten schnalzen, rennen, flöten und beugen sich nach vorne. Unsere Hunde sind oft äußerst verwirrt und manchmal gestresst. Die herzliche Willkommenskultur bezieht sich bei vielen Iranern auch auf unsere acht Pfoten. Das ist schön und war nicht zu erwarten gewesen. Dennoch ist es immer ein wenig mühsam mit Hunden, eine größere Stadt zu besuchen. Ein Stück des Weges nehmen wir sie immer mit und wenn es zu anstrengend wird hilft nur eins: „Be careful! They are biting!“ Oder zur Not die Zeichensprache: Hand nach vorne, „No!“ und Zähne fletschen.
Yazd war schön und interessant aber wir möchten nun keine Autos mehr hören und frische Luft schnappen. Unser nächstes Ziel ist Kerman und die Wüste Lut. Wir wählen nicht den schnellen Weg über die Schnellstraße sondern kleinere Straßen durch Berge und Wüste und biegen kurz hinter Yazd ab in Richtung des palmenreichen Bafqs und landen kurz hinter der grünen Stadt hier:
Mit “sinnvoller” Hundebeschäftigung:
Und leuchtenden Bergen:
Hier geht es hinein in die Berge am nächsten Morgen. Völlig untrainiert keuche ich mit dem Mountainbike da hoch, verfluche die Ü-Fünfzig und die ständige Hockerei während der wartende Achim aufs Lenkrad trommelt:
Die gesamte Strecke bis zur Wüste Lut hat sich dann doch hingezogen wie Kaugummi, es geht hoch und runter, hoch und runter. Obwohl die Farben der Berge uns immer wieder neu ein „Ooooh“ und „Aaaah“ entlocken. Über Ravar und Kerman erreichen wir den letzten Pass rüber über die Berge bevor die Wüste beginnt.
Dann geht es bergab! Auf sage und schreibe 200 Höhenmeter! Endlich: Die Socken fliegen im Bogen in die Ecke, die Flip Flops werden ausgepackt. Ist das herrlich, endlich wieder Luft an die Füße zu bekommen. Zwischen 800 und 3000 Höhemetern tummelten wir uns nun seit Monaten herum, im Iran meist zwischen 1000 und 2000. Und endlich wird es sommerlich warm hier.
Wir erreichen Shahdad und hamstern das Wombat voll. Unsere erste Nacht in der Wüste Lut ohne Heizung, mit einem gigantischen Sternenhimmel und einer Stille, die fast unheimlich ist. Gizmo ist es ein bisschen langweilig: Hier lebt nichts und niemand!
Wir freuen uns gigantisch auf eine Offroad-Runde durch die Kalut-Wüste. Was sind Kaluts? Sandsteingebilde durch Wind und Wasser entstanden. Eine einmalige Naturerscheinung. Später werden sie riesengroß aber an unserem ersten Übernachtungsplatz, kurz hinter Shahdad sind sie noch ganz mickerig und hervorragend geeignet für eine artgerechte Hundefütterung:
Alte, verlassene Karawansereien liegen auf der Strecke. Normalerweise liegen sie einen Tagesritt mit dem Kamel (oder einer Tagestour mit dem Wombat 😉 auseinander. Das sind etwa 30 Kilometer. Hier aber gibt es gleich mehrere dicht beieinander.
Wir erreichen das Shahdad-Desert-Camp. Hier ist die Straße zu Ende. Wir lassen Luft ab auf zwei Bar.
Es folgt eine Strecke, die man nicht beschreiben kann, so unglaublich schön ist sie. Auch die Fotos geben längst nicht das wider, was man mit offenem Mund bestaunt. Gigantisch!
Hier Bilder auszusortieren fällt uns schwer! Also lassen wir das einfach.
Zwischen den hohen Sandsteinberen schlängelt sich unsere Strecke über Flugsand und Tonerde. Nach Wüstenerfahrung Nummer eins wird es mir zu Beginn doch ein wenig mulmig so einsam hier. Was hatte ein Einheimischer uns erzählt? „Keiner, der jemals in der Wüste Lut verschollen war wurde lebend wieder geborgen.“ Nun ja, das bezieht sich natürlich auf zentralere Gebiete und außerdem folgen wir recht frischen Spuren durch den Sand und außerdem knattert das Wombat mühelos hier entlang und außerdem hat Achim einen Mords Spaß. Nach kurzer Zeit bin ich nur noch begeistert.
Weiter hinein in die Wüste gibt es ein paar kniffelige Passagen. Schräglage und Sand, das verträgt sich nicht. Aber wir sind ein eingespieltes Team, der Achim und ich. Wir meistern das: Ich steige aus um die Energie nicht zu stören 😉 und Achim lenkt das Wombat ungestört die Sanddünen hinauf und hinunter.
Ich zitiere: „Für die schiitischen Bewohner Irans gilt die Lut als der Garten Allahs, aus dem der Herr der Gläubigen alles Überflüssige entfernt hat, damit wir Menschen das wahre Wesen der Dinge erkennen.“ „Fahren, Gehen über die Dünen, Staunen, Zusammensitzen am Feuer. Sonst nichts. Nichts als Freiheit und Grenzenlosigkeit zu beiden Seiten…“
So ähnlich empfinden wir das hier in den fünf Tagen Aufenthalt zwischen den mächtigen Kaluts. Jeden Tag ein Stückchen weiter fahren und laufen. Wechselnde Kulissen bestaunen.
Nur an Holz hat es gefehlt für das Lagerfeuer.
Die Drohne wird entstaubt:
Irgendwann ist es nicht mehr möglich, den empfohlenen Wegepunkten zu folgen und wir rumpeln quer über die Dünen, irgendwo im Nirgendwo:
Wer ihn kennt, den Schötti, wird schmunzeln:
Am fünften Tage sind wir vertrocknet. Also nicht ganz, aber man pustet schon seltsame Brocken ins Taschentuch. Die Luftfeuchtigkeit beträgt maximal 25%.
Auf dem Weg zum Meer Richtung Süden treffen wir auf eine Bereicherung unseres Reiselebens: Simon und Simon-Luka, genannt Hopontravel. Vater und Sohn unterwegs mit zwei Zebras. Genauer gesagt: zwei Defender im Zebra-Look.
Gemeinsam machen wir uns auf den Weg durch die insektenreiche Ebene. Nach der allerletzten Abfahrt die Berge hinunter erfreuen wir uns nämlich nicht nur an der sommerlichen Wärme sondern auch am Gesumme von unzähligen Schmeißfliegen. Mir kommen Since-Fiktion-Klassiker in den Sinn wie „die Killer Fliegen“ (oder waren es Bienen?). Töten tun sie wirklich: Nämlich die Nerven. Lektion Nummer eins: Campe nie in der Nähe eines ausgetrockneten Bachbetts.
Mein Dasein besteht aus dem immerwährenden, wütenden Einsatz unserer Fliegenklatsche und dem anschließenden Auskehren der Fliegenleichen-Haufen aus dem Wombat. Trotz Fliegengitter. Einmal durchs Fliegengitter an der Tür gegangen und Tausende finden ihren Weg nach innen. Nach drei Tagen befindet sich unsere Plastikklatsche in Kleeblattform in einem äußerst desolaten Zustand. Zum Glück haben wir noch deutsches Klebeband Extra-Strong in der Schublade.
Kurz vor Bandar Abbas kommen wir auf einem Overlander-Platz zur fliegenlosen Ruhe zwischen Büschen, Sanddünen und Kamelen, nicht weit vom Meer entfernt. Die Kochkünste der armen Zebra-Männer beschränkten sich seit Monaten auf die Zubereitung von Nudeln mit Tomaten, manchmal Zwiebeln. (Anmerkung: Sie kommen aus dem Schwabenland!) Umso mehr freuen sich die beiden gar nicht dürr aussehenden Weltenbummler als ich für Vier koche. Und essen wie die Scheunendrescher.
Dieser Tatsache ist wohl zuzuschreiben, dass sie uns drei Tage mit ihrer Anwesenheit beehrt haben. Nein, wir haben uns gut verstanden, viel gelacht und gute Gespräche gehabt abends am Lagerfeuer.
Austherapiert: Hundephobie geheilt!
Dann trennen sich aber unsere Wege. Die „Zebras“ ziehen weiter durch den Iran nach Shiraz und wir machen uns vom Acker, sprich Festland. Setzten mit der Fähre über auf die Insel Qeshm.
Schluchten und Salzhöhlen sparen wir für später auf. Wir wollen erst einmal an einen Strand, ins Meer hüpfen und die Sonnenuntergänge genießen.
Ein harter Kampf.
Zunächst hält uns an der Südküste ein Militärposten wegen einer Übung ab vom Weiterfahren. Kehrt Marsch und eben andersherum um die Insel. An der Westküste erreichen wir dann im schließlich einen ruhigen Platz. Herrlich wäre es hier, aber…..
Lektion Nummer zwei: Campe nie in der Nähe von Kamelschitte. Und so gebe ich der Fliegenklatsche fast den letzten Rest.
Bei Sonnenuntergang sitzen wir zu viert auf einer Düne und blicken zum Horizont. Ein herrlicher Anblick, gerade bei Ebbe. Die Fliegen sind schlafen gegangen, wir können endlich genießen.
Die Westküste klappern wir ab nach möglichen Stellplätzen ohne verdautes Kamelfutter und Summer, werden fündig nach Umrundung der Süd-West Spitze in der Nähe eines Dorfes. Nur mit Allrad zu erreichen. Herrlich seichtes Wasser, gelber Sand und kein Mensch zu sehen. Es beehrt uns lediglich die auf Mopeds knatternde Dorfjugend. Ab und Zu.
Achim gibt sich sehr viel Mühe mit dem Ausnehmen und Grillen von fangfrischem Fisch vom Fischermann. Ein idyllisches Lagerfeuer, die Vorfreude ist groß doch unser Fisch schmeckt wie stinkende Socken. Wir landen bei Schafskäse mit Tomaten.
Spätestens jetzt wird der Leser über uns die Augen verdrehen oder starkes Mitleid mit uns verspüren. Auf der Suche nach Wasser trennen wir mal eben eine Dorfschule vom Hauptstrom. „Peng“ macht es und mein Gedanke ist noch: „Jetzt ist unser Ende da“. Das Hauptstromkabel hing zu tief. Die Kinderschar wird ins Schulgelände zurück getrieben. Dem Himmel sei Dank, dass ein Einheimischer ein wenig Englisch spricht. Wir kommen für den Schaden auf und verlassen die stromlose Schule mit einer verkohlten Alu-Staukiste auf dem Dach.
Gesagt wird nicht mehr viel während unserer fast aussichtslosen Suche nach einem idyllischen Strandplatz. Hier landen wir aber irgendwann nach längerem Abklappern der Küste:
Herrlich hier. Aber Lektion Nummer eins nicht ernst genommen an einem Bachbett. Einen Tod muss man sterben.
Im Statues Valley treffen wir Janine und Fridolin wieder. „Statues“ weil Baumeister Natur hier gemeißelt hat. Irre Formen unter denen wir hier stehen:
Wir werden auf der Insel noch ein wenig herum gammeln denn wir warten auf den erfahrenen Iran-Bereiser Cristian von „Iran is great“. Er erbarmt sich, bei den komplizierten bürokratischen Abwicklungen für die Fährfahrt nach Dubai zu helfen. Zwischen Weihnachten und Neujahr werden wir dann wohl gemeinsam übersetzen.
So suchen wir an der ruhigen Südküste wieder einen Platz am Meer mit den bescheidenen Ansprüchen: Fliegenarm und ruhig.
Leider werden an den wohl schönsten Plätzen am Meer gerade Militärübungen durchgeführt. Diese Passagen sind gesperrt. Trotzdem werden wir fündig:
Und versuchen uns an einem Selfie:
Leider müssen wir unseren schwer erkämpfen Platz frühzeitig verlassen. Kampfhubschrauber im Tiefflug und Granateneinschläge hinter unserer Privatdüne, dass die Tassen klappern . Am Abend bitten uns Militärmänner höflichst, aus gesundheitlichen Gründen das Übungsareal zu räumen.
Das mit den klappernden Tassen ist natürlich etwas übertrieben aber aus der Ferne ist das Spektakel doch besser zu ertragen. Wir landen an der Küste kurz vor dem Hafen bei Shib Deraz.
Ein seltener Gast:
“Pffft. Mit Dir will ich nichts zu tun haben!”
Andere Gäste mit längerem Hals:
Der Kampf-Knirps zunächst echauffiert. Aber dann allgemeiner Friedensbeschluss! Das Teil ist doch irgendwie zu groß!
Da ist er plötzlich in unserem Leben: Amir! Ein Iraner, weit durch die Welt gekommen. Offen, warmherzig, tiefsinnig und lustig. Einen Geheimtipp an Strand hat er auf Lager. Weihnachten werden wir dort Fische fangen und selbige am Lagerfeuer grillen.
Wir sitzen am Strand, atmen tief durch und geben uns der friedlichen Betrachtung der untergehenden Sonne hin. „Einfach war es nicht, hier her zu kommen“ murmelt Achim. Beide waren wir „etwas“ gestresst von den eigentlich harmlosen Unwegsamkeiten, Pleiten, Pech, Pannen und von den langen Distanzen. Wir sind uns einig, dass lange Fahrten in großen Ländern nicht zu unserer Leidenschaft gehört. Und noch nie haben wir so viel diskutiert, wie unsere weitere Reise verlaufen soll. Eins scheint nun erst mal sicher zu sein: Der weite Weg über Pakistan nach Indien ist gestrichen!
Wir setzen in den nächsten Tagen über in die Emirate nach Dubai. Von dort aus geht es erst mal in den Oman. Reisende werden uns verstehen, Nicht-Reisende den Kopf schütteln: „Urlaub vom Reisen machen!“